Aus Problemen werden Chancen
Großspeicher werden derzeit vor allem eingesetzt, um die Frequenz im Stromnetz bei schwankendem Input zu stabilisieren. Und im sogenannten Intraday-Handel, also dem schnellsten Teil der Strombörse. Gäbe es plötzlich viel mehr davon, würde manches, das im Moment wie ein Problem aussieht, sich in eine Chance verwandeln.
Zum Beispiel der ebenfalls gewaltige Boom privat betriebener Solaranlagen, die mit ihren vielen kleinen Beiträgen zur Stromversorgung die Regelung des Netzes zu einer wachsenden Herausforderung machen. Auch Heimspeicher helfen da nicht weiter, denn wenn die Sonne kräftig scheint, sind die Heimspeicher spätestens mittags voll und dann speisen viele Haushalte plötzlich Solarstrom ins Netz, was den Strompreis drückt und das Regeln schwieriger macht. Künftig könnten diesen Strom dann die Betreiber der Großspeicher billig einkaufen – und etwa in den Stunden mit hohem Stromverbrauch am Abend wieder gewinnbringend losschlagen. Das macht Alternativen wie Gas-Peak-Kraftwerke dann teilweise überflüssig.
Dazu könnten, die richtigen Rahmenbedingen vorausgesetzt, noch einmal Massen von E-Autos mit großen Batterien kommen: Wenn Gesetzgeber, Stromanbieter und Netzbetreiber bidirektionales Laden ermöglichen, wären viele E-Autos plötzlich ebenfalls Netzspeicher, bei Bedarf aus der Ferne als Stromquellen aktiviert, als dezentraler Großspeicher gewissermaßen. Die Batterien halten das locker aus.
In Frankreich geht das schon – dort können Fahrer bestimmter Renault-Modelle künftig »quasi kostenlos« laden, wenn sie ihr Auto gelegentlich als Speicher verfügbar machen. Renault übernimmt die Garantie für die Batterie. Mit entsprechender Regulierung könnte man das Gleiche auch mit den Batterien in deutschen Kellern machen.
Anlagen abregeln hat sich bald erledigt
Windkraftanlagen oder große Solarkraftwerke abzuregeln, weil sie gerade »zu viel« Strom produzieren – das ist in dieser Zukunft mit viel Speicherkapazität überflüssig. Was wiederum gut für den Strompreis wäre, denn bekanntlich ist erneuerbarer Strom konkurrenzlos billig.
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Und auch da wird die Entwicklung nicht stehen bleiben. Aktuelle Batterie-Großspeicher haben eine sogenannte Speichertiefe von zwei bis vier Stunden, sind also nach dieser Zeit unter Last wieder leer. Neue Systeme, die etwa in Australien (dort übrigens unter anderem von RWE ) oder Kalifornien geplant werden, liefern dagegen bis zu acht Stunden lang Output. In Kalifornien ist ein Projekt mit 100 Stunden Speichertiefe in Arbeit.
Das eine oder andere Gaskraftwerk für Stromversorgung zu Peak-Zeiten wird vermutlich schlicht überflüssig werden. Genau das passiert etwa in Texas und Kalifornien bereits. Der Strompreis wird unabhängiger vom Gaspreis. Und die Inseln mit sogenannten Dunkelflauten werden immer kleiner.
Der Kanzlerkandidat der Union nennt Sonnen- und Windenergie »Übergangstechnologien«, zerrte im Bundestag diese Woche wieder einmal die Floskel von der »Technologieoffenheit« hervor und verspricht Luftschlösser wie Fusionsenergie (diese Technik gibt es einfach noch nicht). Die FDP hat vor dem Bruch der Koalition ein Papier vorgelegt, das hauptsächlich in die fossile Vergangenheit weist . Weil erneuerbare Energien in Deutschland immer noch als »grün« gelten, machen schwarz und gelb Wahlkampf mit Nebelkerzen.
Unterdessen feiern internationale Beobachter die enormen Erfolge der deutschen Politik zu erneuerbaren Energien.
In Deutschland – und auch sonst vielerorts – findet gerade eine Energierevolution statt, wie sie die Welt in diesem Tempo noch nie erlebt hat. Die nationale Energiediskussion, auch die mediale, ist von dieser Entwicklung völlig entkoppelt. Sie dreht sich um Retro- oder Fantasietechnik. Das ist auch ein Medienproblem.
Wie auch immer die nächste Bundesregierung aussieht – sie muss vor allem aus dem Weg gehen. Also doppelte Kosten für Ein- und Ausspeichern dauerhaft abschaffen, Genehmigungen vereinfachen, Rahmenbedingungen klären, deregulieren. Dann werden wir unser Energiesystem in zehn Jahren nicht wiedererkennen. Es wird sauberer, flexibler, besser und billiger sein.